Er heißt Tony Stark, gibt sich auch gerne so, ist Exzentriker, Genie, Arschloch. Ein Lebemann des 21. Jahrhunderts, den es nicht interessiert, was mit seinen ultramodernen Bomben so allerlei in die Luft gejagt wird, der zwischen exklusiver Party und zahlreichen One-night-Stands hin- und herpendelt, der im Jetzt lebt und irgendwann schon mal morgen ankommen wird. Und ist damit vielleicht das komplette Gegenteil zu den herkömmlichen tragischen Comicfiguren. Gut, bezieht man einmal die Anfangsphase, in denen Superhelden einwandfrei und makellos mit Lächeln und beträchtlichen Muskeln durch die Lüfte schwebten, mit ein, so ergibt sich hierzu ein kleiner Bezug, aber spätestens seit der großen Comicdepression ist es doch erstaunlich, einen solch offensichtlich gut gelaunten „Helden“ - in Anführungsstrichen, wohlgemerkt – zu erfinden. War manch ein Comic sogar politisch und philosophisch konnotiert und somit als ernsthaftes Medium abseits der strahlenden Kraftprotze zu akzeptieren, so schwebt „Iron Man“ intellektuell gesehen stets vier, fünf Stufen tiefer. Denn Stark hat keine Selbstzweifel oder überlegt, ob seine Aktionen überhaupt seine gewisse Legitimation erhalten haben – er tut es einfach, hadert nicht mit der Gewalt, sondern findet ganz klar Spaß daran.
Und gerade jetzt, als es der neueste Trend immer wieder nach komplexen, hinterfragenden – genialen, aber auch hirnlosen – Comicverfilmungen schreit, platzt der „Who cares“-Iron-Man herein – und sorgt damit nicht für Entrüstung, sondern für die dringends benötigte Frischluftzufuhr. Denn anders als so mancher Kollege dürstet es ihn nicht zwanghaft, an der Ernsthaftigkeit zu nippen. Das Leben von Tony Stark ist im Allgemeinen eben nicht geprägt von Schuldgefühlen, moralischen Widersprüchen und sonstiger Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun: Ihn kümmert es wenig, ob das da jetzt so furchtbar politisch korrekt ist. Spaß muss es machen, mit einem geilen Anzug durch die Lüfte zu schießen und idiotische Flieger mitsamt Komandozentrale mal kräftig zu verarschen. Und da ist es auch kein Problem, bewacht von Terroristen in irgendeiner Wüste mal schnell eben jenen „Iron Man“ zu bauen, in den es später – wenn es um Gefahr und so komisches Zeugs geht – einzusteigen gilt. Dann nix wie raus aus der fiesen Höhle und ein paar naive Gegner zerschießen, bevor man mit dem coolen Abgang noch mal demonstrieren kann, was hier wirklich Style hat. Doch bevor man mit dem hochtechnisierten Spezialgerät in die Lüfte aufsteigen kann, muss erst einmal der Plot durchlebt werden. Schließlich muss auch irgendein Playboymilliardär seine Motivation irgendwo herhaben.
Tony Stark hat mal wieder gebastelt und jetzt ist dabei ein neues Highlight herausgekommen, was natürlich gleich ausgiebig getestet werden muss. Dafür geht es erstmal in die Wüste, bewacht von amerikanischen Soldaten die keine Chance haben gegen den urplötzlichen Angriff radikaler Terroristen, die von Stark fordern, unter schlimmsten Bedingungen und auch nur noch von einem seltsamen Ding am Leben gehalten, das neueste Bombenmodell nachzubauen. Natürlich ist es das noch nichts gewesen, denn so leicht kann man einen Tony Stark nicht verarschen. Der verfügt nämlich über immense Kenntnisse, was das Tüfteln und Schrauben angeht, und hat schnell den Entschluss gefasst, sich zu widersetzen, weshalb er gleich mal an dem geplanten Anzug arbeitet. Das verläuft nicht ohne Probleme, aber immerhin schafft er es, die langsam Lunte riechenden Terroristen so lange abzuhalten, den Raum, in dem er werkelt, zu betreten, bis er schließlich, ziemlich ungelenk, flüchten kann – nur um kurz darauf auf feinsten Sanddünen zu landen und den langsam nachrückenden Radikalen die übrig gebliebenen und zersplitterten Teile zur Begutachtung liegen zu lassen.
Das wirkt sich – zumindest in Hinblick auf das noch Folgende - gar nicht gut aus – was Stark aber eigentlich relativ egal ist. Denn der hat jetzt endlich wieder richtigen Spaß und ist nicht nur mit neuesten Erfindungen für die Army beschäftigt. Sein neues Alter Ego bindet in sogar von jedweder Verantowortung. Erstmal testet er die neue Faszination ein wenig, fliegt und gleitet durch die Lüfte, irritiert besagte Flieger, sorgt für Aufsehen, muss sich aber eingestehen: Was ist ein Superheld schon ohne Superschurke? Immerhin muss der Iron Man in dieser Hinsicht nicht mehr solange warten: Mit Jeff Bridges – leider hoffnungslos ungenutztes Beiwerk von großer schauspielerischer Klasse – wäre dann der eigene Kollege bereit, sich zu stellen und aus dem bisschen Ausprobieren eine ernsthafte Angelegenheit zu machen – wobei, was heißt bei Tony Stark schon ernsthaft? Also ist auch der finale Zweikampf, der mal kräftig und unnötig auf die Thetralikdrüse drückt, eigentlich ein Spiel, wie der ganze Film, sorgt aber zumindest bei den weniger anspruchsvollen Actionfans für Begeisterung.
Auch wenn der Showdown völlig deplatziert wirkt – schließlich wendet sich „Iron Man“ urplötzlich gegen die vorher eingegebene Richtung der puren Spaßunterhaltung -, so gelingt es Favreau doch, seine Adaption nicht abdriften zu lassen. Feinfühlig inszenierend weiß er immer, wo die Grenze ist zwischen Hirn-raus-Bier-rein-Unterhaltung und dem Lächerlichen, versteht es, die Action gut zu integrieren und zeigt damit genau das, was man sich zwischen Nolan und Snyder wünscht: Einen richtig coolen Actionfilm, der sich genau wie „Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull“ wenig um Logik oder sonstige Werte kümmert, sondern nur unterhalten will. Dazu gibt es noch einen genialen Robert Downey Jr. in seiner mit Abstand besten Leistung seit Jahren, der zu „Iron Man“ passt wie die Faust aufs Auge und sich sichtlich wohl fühlt in einer Rolle, die wirklich gut tut. Er spielt Stark mit der notwendigen Präsenz und lässt selbst den – in die falsche Rolle gesteckten – Jeff Bridges mehr als alt aussehen, wenn er mit lockeren Sprüchen nur so um sich wirft. Eine Paraderolle also, ein Iron Man, der zumindest in seinem ersten großen Leinwandabenteuer fast alles richtig macht, was richtig zu machen gilt. Da sieht man auch über manchen gewollten und deshalb eben nicht gelungenen Witz, die irgendwie fade inszenierte Geschichte mit Stark und seiner Assistentin und schließlich den einzigen wirklich drastischen Fehler des Films, das Finale, hinweg. „Iron Man“ ist wie „The Expendables“ ein sehr guter Film – nicht aufgrund seiner Brillanz, sondern wegen der Auflockerung des pseudoernsten Kinos dieser Tage. Yeah, Man!
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