Donnerstag, 14. Oktober 2010

Let's play!


Pixar Wunderland geht weiter - und blickt zurück: Über desorientierte Fische (und den vergleichsweise schwächsten Pixarfilm der letzten Dekade), die Haute Cuisine, nostalgische Müllroboter und den naiven, aber einfach wunderschönen Rentnereskapismus findet man endlich den wieder den Anschluss an die vielleicht kindgerechtesten Werke im Animationsuniversum der Kalifornier überhaupt. Denn nur Woody, Buzz und CO. wussten es von jeher, die Kinder in Scharen zu begeistern - da erscheint Remy, mag er noch so genial sein, einem 4-Jährigen möglicherweise etwas suspekt. Im Jahre 2010, also eigentlich viel zu spät für ein weiteres Sequel, würde man Pixar durchaus Geldgeilheit ankreiden, wäre da nicht diese Brillanz, die solche Aussagen schlichtweg unterdrückt. Vielmehr kann man die jetzige Rückbesinnung als wahre Haustreue verstehen: Ein würdiger Abschluss der Spielzeugfilmreihe musste her, und man durfte die Fans auch nicht enttäuschen. Denn jene sind jetzt keine Kindergartenbesucher mehr, sondern Erwachsene, die mitten im Leben stehen, mit Cowboyfiguren und futuristischen Astronauten eigentlich eher wenig am Hut haben - diese erneut begeistern zu können, ist die große Stärke von "Toy Story 3".

Auch sonst konnten eigentlich nur Fehler gemacht werden: Entweder man entfernte sich vom Stil, kochte die Vorgängerstory nur warm auf, wurde zu kindlich oder keinem Kind gerecht - dass der dritte Teil genauso gut der erste hätte sein können, wurde vorher nicht erwartet. Auch der sonstige "Schnickschnack", wie man ihn salopp bezeichnen könnte, ist absolut ernst gemeint. Die 3-D-Version ist die beste, die man seit Camerons "Avatar" gesehen hat, und die deutschen Antikomödianten rund um Herbig machen ihre Sache ausnahmsweise mal bestens. Ebenso ist "Toy Story 3" State of the Art pur: So weich waren die Animation selten zuvor, Licht- und Schatteneffekte sind genial und sowieso alles an die Art der Vorgänger angepasst. Aber: Dass Pixar mit tricktechnischer Perfektion an den dritten Teil herangehen würde, stand vorher eigentlich schon längst fest. Vielmehr wollte man eine ausgetüftelte Story, gleich und anders, von beidem ein bisschen etwas. Weil das Drumherum schon bekannt war, sollte wie nie davor auf den Plot geachtet werden.


Dieser jedoch erscheint wie eine Offenbarung: Andy geht auf das College, die Spielzeuge sehen ihre Zukunft düster, haben Angst und werden durch den Zufall nach Sunnyside geschleppt, das anfangs wie das Paradies auf Erden erscheint. Spielende, fröhliche Kinder, wohin das Auge reicht, eine Wohlfühlatmosphäre und ein äußerst netter Empfang - die Toys kommen sich wie im Siebten Himmel vor. Dass Sunnyside nicht das ist, was der Name vorgibt, stellt man bald fest. Lotso, der Anführer, ist kein Knuddel-, sondern ein Diktatorbär und seine Anhänger keine freundlichen Kinderlieblinge, sondern düstere Handlanger des Chefs. Und den Spielzeugen um Woody wird es nicht erlaubt, den Ort, der sich inzwischen als Gefängnis entpuppt hat, wieder zu verlassen, Buzz sogar manipuliert, weil umgepolt. Denn jetzt müssen die Neuen als Futter herhalten, werden zerlegt und durch die Gegend geschleudert. Der Ausbruchsplan ist also bald geschmiedet und der eigentlich witzigste Teil des gesamten Films kann beginnen.

Natürlich bedient sich "Toy Story 3" dabei des kindlichen Humors: Es fallen zusammengepappte Kartoffeln wieder auseinander, geben lustige Sprüche von sich und auch sonst ist für den jüngeren Zuschauer wieder allerlei an Klamauk dabei. Die der Kindheit entwachsenen Betrachter jedoch können sich an einer brillanten Alcatrazhommage (Die Flucht ist genial inszeniert) erfreuen und zudem über die charakterliche Tiefe staunen, die den Figuren, insbesondere Lotoso - der dadurch eigentlich bemitleidet werden muss -, einverleibt worden ist. Ein Drehbuch, das aus jeder Szene eine besondere macht, ist inzwischen zum Pixarstandard geworden, die Technik allererste Sahne und der Vorfilm "Day and Night" vielleicht der kreativste, den Pixar je gezeigt hat. Und der Abschluss schlichtweg umwerfend: Mit dem krönenden Ende des Films beenden die Kalifornier ihre bekannteste Reihe, unterhalten Groß und Klein bestens und gestehen sich am Ende das Nicht-loslassen-können ein, das jeden befällt, wenn er diese Szene sieht. Wenn die Spielzeuge nach dem emotionalsten Moment im ganzen Film schließlich abgegeben werden, wünscht man sich zurück in die unbeschwerte Kindheit. Um mit Cowboy und Astronaut seine ganz eigene "Toy Story" basteln zu können.

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