Montag, 25. Oktober 2010

Boulevard of broken Dreams



Watch out, Comicszene, denn Zack Synder ist wieder da. Und nachdem er mit „300“ einen gewissen Achtungserfolg erzielen konnte, ist er scheinbar ganz besonders scharf auf neue Comics. Da mag man sich doch wundern, dass er sich auf die „Superman“-Regie eingelassen hat. Da hat er erstens einen nicht bluttriefenden Stoff vor sich, den es nach Snyder mit roter Suppe überall zu inszenieren gilt, sondern die kitschige, zahme Variante des ganz tollen Superhelden. Und weil sich der fliegende Unbesiegbare auch sonst nicht so politisch engagiert, ist auch nichts mit Gesellschaftskritik, die der liebe Herr Snyder uns ja immer vorgaukeln will, und Zynismus – kurz: Man darf gespannt sein, was der „Watchmen“-Inszenator, diesmal unter dem strengen Blick von Christopher Nolan, von sich gibt. Doch zuerst hatte er sich einmal des imposantesten Graphic Novels angenommen, den es überhaupt gibt. Die „Wactchmen“ sind keine Capes-Träger mit irgendwelchen Teenie-Problemchen, sie sind sozusagen ausgestoßene, zutiefst nihilistische Kreaturen, die anders gar nicht zu bezeichnen sind. War bei anderen Comics – mal abgesehen von Batman – der gewisse Grad an Drama nur ein Mitläufer, um allzu infantile Kloppereien geschickt und manipulierend zu kaschieren, so ist er hier die Quintessenz. Es geht nicht um Superschurken in blödsinnigen Kostümen, sondern um langsam abrutschende Welt, um diesen Dreck von Menschen, die johlend durch die Straßen ziehen, wie Rorschach es wohl sagen würde. Gewissermaßen ein Heiligtum in der Comicszene, war eigentlich von vorne herein klar, dass Snyder keine zufriedenstellende Adaption gelingen würde – die Frage war nicht, ob er Fehler machen würde, sondern wie viele Fehler er machen würde.

Dabei hatte Snyder ja eigentlich gewisse Möglichkeiten, den Graphic Novel ambitioniert auf Zelluloid zu bannen. Um auf den Trendzug der Comicverfilmungen aufzuspringen, stellte Warner für einen eigentlich der breiteren Masse eher unbekannten Stoff 160 Millionen Dollar bereit – ein Budget, von dem jeder Regisseur träumt. Sogesehen hatte Snyder zwar nicht freie Hand, was die Inszenierung anbelangt, aber doch künstlerischen Raum, um das Opus Magnum nach seiner Vorstellung zu visualieren. Und machte somit gleich den ersten Fehler: Die „Watchmen“ sind in den achtziger Jahren angesiedelt – bei Snyder sieht alles nach trendigem Trend aus, wie er seit Nolans Neugestaltung von Batmans Kostüm besteht. Die Outfits sind grell, cool und vor allem nicht das, was zu den pessimistischen Wächtern passen würde. Aber nicht nur die Kleidung, die ganze Optik stinkt gewaltig nach Style-Gier. Nur, dass ein wirr zusammengewürfelter Mix aus allen bekannten technischen Schnickschnacks noch lange keine gelungene Darstellung ergibt. Es wirkt, als hätte Snyder in den „Watchmen“ all das machen wollen, was der kleine Junge in ihm immer machen wollte: Wild und unkontrolliert zwischen idiotischen Zeitlupen und besonders fetten Blutspritzern oszillierend, versagt Snyder sogar beim Style-over-Substance-Faktor, der ihm bei dem auch schwachen „300“ zumindest ansatzweise gelang. Denn nach einer Weile findet man das nicht mehr eindrucksvoll, sondern belästigend – und wenn urplötzlich, aber zum Glück auch nur kurz, Nenas „99 Luftballons“ ertönen, wünscht man dem Grauen ein Ende.




Was bei der Optik anfängt, setzt sich mit der Handlung fort – oder besser: Gerade weil Snyder auf so übertriebene Visualisierung setzt, wirkt der Zynismus der Wächter so lächerlich. Rorschach, der paranoide Misanthroph, verkommt vor einmal durch die Popkultur gezogenen Bildern zum gewalttätigen Pseudokerl, Night Owl zu irgendwie immer leicht debil drein schauenden Nebenfigur, die es gar nicht gebraucht hätte und Silk Spectre II zur Sexbombe, die irgendwie in einen Latexanzug gezwängt wurde, nur um dem Popcornkino auch noch seine dümmliche Referenz zu bieten. Mit Snyder geht die Ernsthaftigkeit, die politische Konnotation der „Watchmen“ den Bach runter, weil er auf modernstes Setting setzt und so nicht das erhoffte Retrofeeling evozieren kann. Und weiter noch: Das Werk wirkt inhaltslos, aber zur Redundanz aufgeblasen. Snyder weiß nicht, was er mit den unzähligen Geschichten und Verweisen anfangen soll, packt sie zusammen und macht daraus ein dämliches Splatterfestival für Leute, die gerne Arme aufplatzen sehen. Moores Graphic Novel ist kein temporeicher, hochdynamischer Thriller, als den ihn Snyder wahrscheinlich gerne sehen würde, sondern ein elegisches, ausschweifendes Jahrhundertwerk, das seinen Status ganz bestimmt nicht aufgrund der fabelhaften Action verliehen bekommen hat. Aber genau die macht Snyder zu einem der Hauptbestandteile seines Films: Da werden in dunklen Gassen reihenweise Gangster kaltblütig mit heftigen Methoden aufgemischt, Finger ab- und Beine durchschossen, Arme abgetrennt und Kinderleichen von Hunden gefressen.

Nicht, dass dies jetzt als Geschmacklosigkeit abgestempelt werden soll – aber ihn Synders Inszenierung wird aus der Gleichgültigkeit, wie sie im Kosmos der Watchmen vor dem drohenden Krieg besteht, ein Spaß an der Gewalt. Da atmen Silk Spectre II und Nite Owl sichtbar auf, als vor ihnen ein gutes Dutzend malträtierter Männer liegt, und irgendwie scheinen ihnen die glücklichen Erinnerungen an die früheren Zeiten wiederzukommen. Snyder unterlegt diese verklärten Gewaltausbrüche noch mit einer Drastik, die ganz und gar unangebracht ist, indem er mit technischen Raffinessen arbeitet und die hoch komplexen „Watchmen“ teilweise wie ein billiges Splatterfestival aussehen lässt. Es scheint außerdem, als wäre der Regisseur mehr daran interessiert, ein wenig herumzutüfteln und zu probieren, wie weit man gehen kann – ziemlich weit eigentlich, nur nicht auf diese Art -, als sich um eine ordentliche Inszenierung zu kümmern. Er schickt Nite Owl und Silk Spectre II auf ein lachhaftes erotisches Abenteuer, das in der möglicherweise blödesten Sexszene der letzten Filmdekade kulminiert: Vor „Hallelujah“ darf im futuristischen Fortbewegungsmittel des Eulenmanns korpuliert und beim Höhepunkt dann – natürlich unabsichtlich – das Feuer aus dem Quasiraumschiff gestoßen werden. Das ist nicht nur blöd, sondern sehr blöd, ignoriert den Mythos des Comics komplett – von diesem Moment an scheint der Untergang der „Watchmen“ wirklich zu beginnen.




Um natürlich dem philosophischen Gewand gerecht zu werden, widmet sich Snyder ebenso ausführlich den Dialogen und Monologen, die „Watchmen“ immer mal wieder durchziehen. Doch auch hier will das Ganze nicht wirklich funktionieren: Arg pathetisch wirkt das, wenn auf dem Mars seltsame Geräte aus dem Boden fahren und davor Dr. Manhattan und Silk Spectre II ein für den Charakter des vielleicht einzigen „Superhelden“ enorm wichtiges Gespräch führen. Snyder wiederum misslingt es, der Szene etwas Imposantes einzuhauchen, dafür sieht die Optik wiederum zu getrimmt aus. Rorschachs depressive, wahnhafte Aussagen sind nichts weiter als gekrächztes, narzisstisches Einerlei ohne wirklichen Sinn. Denn was bringt einem ein inszenatorisch verschwendetes, aber insgesamt gewaltiges Zitat, wenn es in ein absolut misslungenes Drumherum gesteckt wird? Eben. Also, fragt man sich nun, weshalb hat Zack Snyder diese „Watchmen“, das Heiligtum, überhaupt adaptiert? Einerseits wollte er es anscheinend besser wissen, beweisen, dass es doch möglich ist, den Graphic Novel zu verfilmen – was Moore ja immer anfechtet. Andererseits ist Snyder der Meinung: „Außerdem haben wir den Figuren etwas verliehen, was nur Kino wirklich gut kann, nämlich emotionale Tiefe“. Das Kino schon. Zack Snyder nicht.   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen