Der zweite Craig-Bond hatte eine äußerst heikle Aufgabe: „Casino Royale“, der als politisch konnotierter, alles in allem fabelhafter Neuanfang der schwer angeschlagenen Bond-Reihe neue Maßstäbe im Actionkino gesetzt hatte, zu übertreffen, oder zumindest (ansatzweise) an die Klasse des hoch gelobten Vorgängers heranzureichen. Damit das bis dahin erfolgreichste filmische Abenteuer des smarten britischen Doppelnullagenten auch finanziell wieder einigen Erfolg zu vermerken hatte, setzte man auf ein ähnliches Konzept: Als Fortsetzung sollte „Quantum of Solace“ fungieren, als eine, die den in diesem Sinne extrem konsequenten ersten Teil adäquat weitererzählen musste. James Bond, der den tragischen Suizid seiner Geliebten Vesper Lynd selbst mit ansehen musste und nicht verhindern konnte, macht sich auf, die Hintermänner des doppelbödigen, weitreichenden Komplotts aufzuspüren und ihn altbekannter Marnier zu beseitigen. Mehr persönlicher Konflikt und emotionale Beziehung zum vermeintlichen „Auftrag“ in eigener Sache also als patriotische Dienstleistung – eine Ausgangslage, die schon bei „Casino Royale“ bestens aufgegangen war und sein begeistertes Publikum gefunden hatte. Und eben selbstverständlich wieder mit Daniel Craig, der Bond als perfekt abgestimmte und gelungen vorgetragene Mischung aus eiskaltem Killer und mitfühlendem, „normalen“ Menschen spielte.
Und trotzdem wurde bei „Quantum of Solace“ einiges geändert: Nicht nur, dass mit Marc Foster – welcher mit „Finding Neverland“ bereits überzeugt hatte und mit „The Kite Runner“ die Kritiker schwärmen ließ – ein neuer, verhältnismäßig junger Regisseur an Land gezogen wurde, sondern ebenfalls, dass der Fokus diesmal doch mehr auf der gequälten und deshalb ausufernden Seele liegen sollte. Schließlich ist der kurze, aber glückliche Ausstieg aus dem gewöhnlichen Agentenleben vorbei und Vesper tot – und Bond kann das nicht begreifen, möchte herausfinden, wer dahinter steckt und sie zu dieser grauenvollen Tat hatte zwingen können. Über eine enorm kurze Laufzeit streckt sich das 22. Leinwandabenteuer und setzt erneut auf das, was auch den Vorgänger so außergewöhnlich innerhalb der Bond-Reihe erscheinen ließ: Mitgefühl. Endlich versteht man Bond, man kann mitfühlen und ihn nachvollziehen, wenn er voller Wut über manche Regeln hinweg sieht und Gegner im Affekt tötet, anstatt hilfreiche Informationen aus ihnen heraus zu locken. Das wiederum mag von logischer Sichtweise fragwürdig sein – in das filmische Konzept des neuen Bonds passt es aber allemal. Ein einziger Rachefeldzug ist „Quantum of Solace“ und funktioniert als solcher bestens. Schließlich hegt der Zuschauer stets Sympathien für den, der sich etwa aus Liebe oder anderen edlen Motiven gegen die strengen Regeln eines in dieser Hinsicht unsympathischen Arbeitgebers stellt.
Diesmal geht es für Bond gegen die dubiose Organisation Quantum, die von Dominic Greene geführt wird. Und ebenso wie in „Casino Royale“ stellt der Bösewicht einen geschickten, intelligenten, sogar schon charismatischen Terroristen dar, der nicht über die ehemals übliche Weltbeherrscherfantasie agiert, sondern sich einem korrupten Handel mit dem General Modrena verschrieben hat, der ihm eigentlich wertlose Stücke der bolivianischen Wüste einbringen soll. Doch unter diesem scheinbar nutzlosen Landschaftsteil verbirgt sich das, nach dem Greene giert, das ihm Millionen in die Tasche spülen könnte: Ungeahnte Wasservorräte, und das extrem weit gestreckt. Für Bond hingegen gilt es erst einmal, sich durch dutzende Handlanger hin durch zu schlagen und sich von unten nach oben zu karren, da er am Amfang vor einem undurchschaubaren Labyrinth an Fragen und Ungeklärtheiten steht und nicht im Geringsten weiß, mit wem er es da überhaupt zu tun hat. Denn der Terror hat sich weiter entwickelt und seine Handlanger jetzt selbst schon im doch so sicheren MI6, was dieser schmerzlich erfahren muss. Und Mr. White, der am Anfang nach einer atemberaubenden Actionsequenz zum Verhör gebracht wird, lacht darüber nur höhnisch, weil er weiß, dass Bond, selbst wenn er einen Teilerfolg erringt, eigentlich keine Chance gegen die weltweit operierenden Netze hat.
Die Story kann also mal wieder allegorisch gewertet werden: Der hilflose Agent gegen den übermächtigen Gegner, der aus dem Untergrund heraus agiert und sich seinen Weg an die Spitze frei gräbt. Insgesamt mangelt es „Quantum of Solace“ sowieso nicht an Intelligenz: Foster verpackt sein furios inszeniertes und dynamisch geschnittenes Bondabenteuer in eine interessante Geschichte um Lüge und Verrat, Rache und Trauer – und es gelingt ihm somit, den Zuschauer erneut in den Bann des Films zu ziehen. Dieser ist zwar im Actionkino immer noch im oberen Mittelfeld positioniert, schafft es aber doch nicht, den in allen Belangen überragenden Vorgänger zu übertrumpfen. Das liegt einerseits an dem nicht ganz so genialen Bösewicht, der es nie wirklich schafft, Le Chiffre im indirekten Zweikampf zu besiegen – und das, obwohl sich Mathieu Amalric sichtlich große Mühe gibt, um einem Bond würdig zu sein -, anderseits wiederum an den Actionszenen, die zwar mit extremem Lärm präsentiert werden, jedoch keine solch atemberaubende Geschwindigkeit aufweisen, wie es bei „Casino Royale“ der Fall war. Die Autoverfolgungsjagd am Anfang des Films ist dabei noch das Beste: Krachend, scheppernd und hastig geschnitten donnert Bond mit einem bald fast vollends zerstörten Aston Martin über die Leinwand und hinterlässt dabei einen ganz und gar fabelhaften Eindruck – einen, der nie wieder erreicht werden kann.
Denn spätestens mit der etwas pathetischen und unnötig wirkenden Sequenz in der Wüste verliert der 22. Bond seinen Reiz. Obwohl Foster eine ausgezeichnete – und vielleicht sogar auch den Vorgänger übertreffende – Regie abliefert, wirkt „Quantum of Solace“ zu gewollt, um wirklich als gelungen zu gelten. Er* stellt den Bildwert teilweise über den Storyinhalt und vernachlässigt seine anfangs packende, später ins Leere laufende Geschichte. Quasi gehandicapt, den Vorgänger nicht übertreffen zu können, schafft es Foster aber auch nicht, einen eigenständigen Actionfilm zu inszenieren. Wie ein sehr kleiner Bruder, der immer bettelnd zum Vorbild aufschaut, wirkt „Quantum of Solace“ in manchen Szenen. Zwar ist Bond nicht mehr wirklich Bond – aber unter Fosters Regie verliert er auch vieles weitere, das an ihm interessant wirken könnte. Die Bondgirls hätte man glatt weglassen können, so unnötig und links liegen gelassen wirken Atterton und Kurylenko, und so manche Einstellung zieht sich ebenfalls dumm in die Länge. Mit 103 Minuten fällt Craigs zweiter Bondfilm also nicht nur extrem kurz, sondern vor allem auch halbgar aus. Klug gemacht ist das durchaus, aber eben nicht wirklich überzeugend. Möge Mr. Bond seine kleine Krise also auskurieren und genesen wieder zum Dienst antreten.
* Dank an Whoknows' Best
* Dank an Whoknows' Best
Stopp! Stopp! Stopp! Wir Schweizer tun zwar bei jedem neuen Film von Marc Foster so, als sei er einer von uns (ist ja unerträglich, wie er sich mit seinem perfekten Schweizerdeutsch in unserem Fernsehen auslassen kann!). Er ist aber - ätsch! - Deutscher und wuchs lediglich in Davos auf. Sollte mich mal der Wunsch überkommen, über "Stay" oder "Finding Neverland" herzufallen, werde ich darauf erneut zu sprechen kommen. ;)
AntwortenLöschenIch stelle mich dankend in die Ecke und zücke den Korrekturstift...
AntwortenLöschenDieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenAber nein! Schweizer, die dringend auf der Suche nach Hollywood-Grössen aus unserer Schmiede sind (ich staune manchmal, wie da irgendein Schweizer Uronkel aus dem Hut gezaubert wird), schätzen sich glücklich, neben Ursula Andress noch auf Marc Foster verweisen zu können. :) Mein Frust setzte ein, als er "Stay" in unserem SF DRS über den grünen Klee loben durfte. Nun ja, grünlich getönt war der Film; weitere Kommentare erspare ich mir zum "Mulholland Dr."-Verschnitt lieber...
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