Sonntag, 30. Januar 2011

Kommentar: Tron: Legacy




Disneys neues Epos ist entfernt von niveaulosem Kindergartenkitsch und finanzieller Ausbeutung alter Märchenmythen, sondern ganz auf den neuen Markt der Zukunft zugeschnitten. Mit 170 Millionen von Joseph Kosinski visuell bahnbrechend realisiert, darf sich Garrett Hedlung als junger und rebellischer Sam Flynn im Cyberspace ordentlich austoben. Auf der Suche nach seinem vor zwanzig Jahren verschollenen Vater von einer Pager-Nachricht in die Spielhalle gelotst und nun im Computer gefangen, trifft er erst auf den immer noch jungen Kevin Flynn, genannt Clu, der sich aber bald als böses Alter Ego seines wirklichen Vaters herausstellt. Von Clu in die Arena geschickt übersteht er die ersten Diskkämpfe und wird dann von der mysteriösen Schönen Quorra gerettet, welche ihn auch zu seinem Vater bringt. Dieser lebt in einem schicken Domizil außerhalb des Rasters und muss hilflos mit ansehen, wie Clu etwas noch nicht näher definiertes plant. Sam wiederum, von Tatendrang gepackt, will mit seinem alten Herrn sofort zum Portal, das sie alle wieder nach Hause bringen könnte. Dabei jedoch kommt es zu drastischen Vorfällen und die großartige Action, untermalt vom brillanten Soundtrack Daft Punks, darf ausgepackt werden. 

Es entsteht eine intensive Vater-Sohn-Beziehung und eine krachende Verfolgungsjagd – krasse Gegensätze, welche Kosinski jedoch ausgezeichnet zu einer fantastischen Symbiose zu vermischen weiß. Dazu gibt es Optik und Sound zum Niederknien, Bilder wie für die Ewigkeit geschaffen und ein packendes Ende epischer Größe. „Tron: Legacy“ jedoch schöpft seine gigantische Stärke nicht allein aus filmischem Können, sondern auch aus der bahnbrechenden Idee. Im Computer gefangen – das ist nicht nur ein lange gehegter Nerdtraum, sondern auch eine Allegorie an Mensch-Gott-Denken. Denn das Verhältnis zwischen Programmen und Usern offenbart selbe Dimensionen, wie sie auch in unseren Gedanken seit Jahrtausenden eingeprägt sind. Disney also hat es geschafft, aus einer bloßen Fortsetzung eines Eighties-Kultfilms, wie es viele gibt, ein dynamisches Actionspektakel zwischen Liebesgeschichte und Philosophie zu schneidern. Und das Ganze auch noch mainstreamtauglich zu machen. So viel Mut gehört belohnt: ein Meisterwerk.

Montag, 24. Januar 2011

Kommentar: The Green Hornet



Humorlos-prätentiöse Comicverfilmung der grünen Hornisse, die nachts durch L.A. streift, um mit Verbrechen das Verbrechen zu bekämpfen. Von Michel Gondry zwar optisch eindrucksvoll untermauert, aber inhaltlich ebenso nerviges wie klischeehaftes doppelseitiges Klebeband zwischen Neidepisödchen aus dem mal tragischen, mal spaßigen Leben des Britt Reid, der von Seth Rogen so wunderbar schlecht gespielt wird. Ein naiver Idiot ist dieser stinkreiche Erbe, der aber – ohh, aufregend – in sich drin doch so etwas wie ein Herz hat. Vorerst aber, zwischen Bikini- und Whiskypartys, Angebermucke zu Autofahren in expressivo, wird das kaum benötigt. Da gilt es, Kato zu erniedrigen und den Zuschauer auf Kleinkindniveau zum Lachen zu bringen, wenn Reid mal wieder lustig versucht, die nervige Lenore anzubaggern. Dazu ein wenig Over-the-top-Action mit verdammten Blitzanlagen, Beerdigungen bei lebendigem Leibe und auseinander gesägten Black Beautys, alles vermischt mit blöder Gangstaz-mit Seele-Manier. Da hilft es eben auch nicht, wenn man sensationelle Kaffeemaschinen bauen und Waffen rot anvisieren kann, nur um sich dann mit dem ewigen Boss zu prügeln und ihn am Ende doch wieder lieb zu haben. Und dann, wenn dieser unsägliche Mist endlich mal vorbei sein könnte, schafft es Gondry doch tatsächlich, noch Szene an Szene zu quetschen um dieser unglücklichen grünen Hornisse auch ihr lange herbei gesehntes Ende zu versauen. Einzig und allein Christoph Waltz weiß da als Chud- oder Blutnofsky mit wirklichem Witz und grandioser Mimik zu überzeugen. Trotzdem: Irgendwo als schnell gefilmter Möchtegern-“Iron Man“ mit nicht mal halb so viel Potenzial und Fremdschäm-Starauflauf hat man „The Green Hornet“ gewaltigt in den Sand gesetzt. Hoffen wir also auf Robert Downey Jr.

Donnerstag, 20. Januar 2011

Isle trip



Am 24. September 2004 stürzt irgendwo im Pazifischen Ozean der Flug Oceanic 815 ab, zerbricht in zwei Teile und gilt von da an als verschollen. Die Überlebenden des vorderen und des hinteren Flugzeugteils versuchen verzweifelt, sich mit den neuen drastischen Verhältnissen zu arrangieren und das beste aus ihrer schlimmen Situation gemacht. Vorerst läuft alles auf das typische Robinson-Crusoe-Phantom hinaus, bevor die Insel selbst in den Mittelpunkt rückt und etliche dunkle Geheimnisse offenbart. Dabei werden die Überlebenden zuerst von dem seltsamen Rauchmonster gnadenlos dezimiert, bevor mit Ethan, einem Mann, der sich als Überlebender aus dem Flugzeug ausgibt, dies aber in Wahrheit nicht ist, das nächste Problem auf sie zukommt. Doch die mysteriösen Anderen, die der Zuschauer in der ersten Staffel eigentlich überhaupt nicht zu Gesicht bekommt, sind nicht die einzige offene Frage, die noch in dem tropischen Wald herum geistert. Schließlich hat John Locke, ein ehemaliger Angestellter einer Verpackungsfirma, mitten im dicht bewachsenen Urwald eine scheinbar nicht zu öffnende Luke gefunden. Ein Flugzeug von afrikanischen Drogenschmugglern, verkleidet als Priester, wird auch noch gefunden. Und neben all diesen kuriosen Gegebenheiten sind da nicht zuletzt die Probleme untereinander, die die Situation des Öfteren eskalieren lassen.

„Lost“ setzte 2004 Maßstäbe. Mit dem doppelten Piloten (der in der deutschen Fassung zu „Gestrandet, Teil 1“ und „Gestrandet, Teil 2“ wurde) rief der amerikanische Fernsehsender AMC eine TV-Serie ins Leben, die formal und narrativ mit den Konventionen brechen und somit das innovative Design der heutigen Serien hervorrufen würde. Eine Geschichte, die es schaffte, den Zuschauer durch emotionalste Charakterbetonung an sich zu binden wie noch nie zuvor, von einem Flugzeugabsturz mit anschließendem Robinson-Cruesoe-Szenario ersann man, um diese Idee im Laufe der Jahre vom bloßen Verschollenendasein zum geheimnisumwitterten Schicksalsbezug auszuweiten. Durch die wie sonst nirgendwo ausgeübte Figurenbindung, welche durch die so genannten „Flashbacks“, also Rückblicke, erlangt wurden, entwickelte „Lost“ ein extrem hohes Suchtpotenzial und dehnte die Nerven und Synapsen der Zuschauer immer wieder durch clever gesetzte Cliffhanger und neue Fragen ohne Antworten – durch das „Lost“-Gefühl, könnte man sagen. Und jetzt, Ende 2010 ist die mit Sicherheit interessanteste Serie der letzten Jahre endgültig ausgelaufen, das Treiben auf der Insel leider Vergangenheit und das höchst amüsante sowie packende Rätseln vorüber. Zeit also, einmal zurückzublicken auf jene Serie, die vor rund sechs Jahren so unscheinbar begann, Millionen begeisterte und ihren Kultstatus wohl immer behalten wird.




Die erste Szene überhaupt aus „Lost“ ist ein kleiner Klassiker: Das erst geschlossene und sich dann öffnende Auge. In jenem Fall gehört es Jack Shepard (dessen Nachname schon einen späteren biblischen Bezug aufzeigt), einem amerikanischen Arzt, der von Sydney nach Los Angeles unterwegs war, um dort seinen verstorbenen Vater zu beerdigen. Jack liegt mitten in einem Dschungel, ausgestreckt auf dem Boden und scheint im ersten Augenblick verwundert ob seiner seltsamen Situation. Dann entdeckt er einen Hund und folgt ihm an den Strand, vor er das ganze Ausmaß der Katastrophe vor sich sieht: Brennene Flugzeugteile, schreiende und verletzte Menschen, Massenpanik. Er eilt sofort zur Hilfe und versucht, mit einigen anderen, gezwungenermaßen, zu improvisieren. Währenddessen versucht man mehr schlecht als recht, sich zu organisieren. Doch die Trauer sitzt noch zu tief, als dass man sich gleich auf den weiteren Verbleib auf der Insel konzentrieren könnte. Denn erst einmal scheint noch ein wenig Hoffnung auf Rettung zu existieren, auch wenn man, wie sich bald herausstellt, bereits vor dem Absturz weit entfernt von der eigentlichen Fluglinie war. Und nun gilt es, aus dem wild durcheinander gewürfelten Haufen unterschiedlichster Menschen eine kleine Gesellschaft zu bilden – denn nach einigen Tagen ist noch immer keine Hilfe gekommen.

Jetzt ist es an der Zeit, die anderen Charaktere und die langsam, aber sicher aufkeimenden Bindungen untereinander aufzubauen und dem Zuschauer vorzuführen. Es werden die hübsche Kate, der sarkastische Sawyer, der sympathische Sayid und der an eine Bestimmung glaubende John Lock eingeführt. Auch der dicke Hugo „Hurley“ Reyes, der Musiker Charlie, die angehende Mutter Claire, die anfangs zickige Shannon und ihr Bruder Boone, das koreanische Ehepaar Jin und Sun und Michael und sein Sohn Walt werden eingeführt und mit ausreichend Szenen bedacht, sodass jeder einzelne Charakter zur Entfaltung kommt. Von diesem Moment an, wenn der Zuschauer die ersten Tage auf der Insel hinter sich gebracht hat, rücken die sensationellen Flashbacks immer mehr in den Mittelpunkt des Geschehens.Zwar hat die Rahmenhandlung immer noch oberste Priorität, doch erst durch die vielen Rückblicke erklärt sich mancher Charakter – und der Zuschauer kann Handlungen oder Aussagen nachvollziehen und somit mitfühlen. Jede Episode ist das dabei einem Charakter gewidmet und geht dabei größtenteils chronologisch vor. So erfährt der Zuschauer im Laufe der Staffel zum Beispiel, wie es zu den tragischen Ereignissen rund um John Locke und seinen Vater, dem Lottogewinn Hugos (und den damit verbundenen Zahlen) oder zu der Verhaftung Kates kam.




Hierbei entwickelt die erste Staffel von „Lost“ seine ganz eigene Faszination: Die Flashbacks in der noch normalen, heilen, alten Welt der Charaktere stehen gegensätzlich zum rauen und kräftebetonten Überlebenskampf auf der Insel. Denn mit den nächsten Episoden kommen auch die ersten Fragen. Was ist das seltsame Monster, das die Gruppe dezimiert und auch den Piloten des Flugzeugs, der nach dem Absturz noch am Leben war, brutal zerfetzte? Was hat der mysteriöse französische Notruf, der offenbar seit 16 Jahren ununterbrochen gesendet wird, zu bedeuten? Und wer sind die Anderen, von denen die Gruppe vor allem durch die ebenfalls auf Insel lebende, aber eher friedlich gesonnene Danielle Rousseau erfährt? Und dann findet Locke, der eigentlich auf Wildschweinjagd gehen wollte, zusammen mit Boone mitten im Dschungel eine kuriose Luke, die scheinbar nicht zu öffnen ist, an der aber die selben Zahlen stehen, mitten denen Hugo vor dem Absturz schon über hundert Millionen Dollar gewonnen hat. Die Geheimnisse häufen sich und die erst Staffel „Lost“ weißt, wie man den Zuschauer fesselt: Immer nur kleine Häppchen, sonst ist er irgendwann satt. Und so kommt es, dass jede nach langer und schwerer Suche gefundene Antwort auch wiederum ein neues kompliziertes Rätsel aufwirft, dessen Lösung der Zuschauer wissbegierig nachjagt.

Und zum Ende, wenn „Lost“ dank der zwei immens spannenden Handlungen zum Höhepunkt hinausläuft, kann der Zuschauer kaum an sich halten. Während Michael, Walt, Sawyer und Jin mit einem selbst gebauten Floß und Unmengen an Proviant, aber mit eher gedämpfter Hoffnung und Zuversicht in See stechen, machen sich Jack, Kate, Locke, Hugo und ein aufdringlicher und in der Kompletthandlung absolut unbedeutender Lehrer auf den Weg, zusammen mit Danielle Rousseau das sich beim Schwarzen Felsen befindende Dynamit zu transportieren. Was aufgrund zu vieler belehrender Worte nicht immer ganz schonungslos endet, aber immerhin Gedanken an einen Einstieg in die mysteriöse Luke aufkeimen lässt. Parallel zueinander verlaufen die beiden Handlungsstränge nun und bilden ein Höchstmaß an Spannung: Draußen auf See kommt es zu dramatischen Ereignissen, als sich die freudig bejubelte Rettung als etwas ganz anderes entpuppt und Hugo auf der Insel wegen der seiner Meinung nach verfluchten Zahlen in letzter Sekunde die Aufsprengung der Luke verhindern will. Natürlich endet „Exodus, Teil 3“ mit einem Cliffhanger, mit einem verflucht guten (oder besser: wie von „Lost“ nicht anders gewohnten) Cliffhanger sogar. Mehr Lust auf eine zweite Staffel zu machen, geht nicht. Die Ereignisse überschlagen sich. Und der Zuschauer förmlich auch.




Die erste Staffel von „Lost“ setzt dabei auf einen Ton, der besonders charakterfreundlich, aber auch nicht wirklich handlungsabweisend ist. In den einzelnen Episoden wird stets zwischen einigen Figuren und der Haupthandlung der jeweiligen Folge hin- und hergesprungen, was beim Zuschauer eine Art des Dabeiseins hervorruft. Schließlich werden die Aktionen von rund zehn Protagonisten ausführlich durchleuchtet, mal Sun beim Bearbeiten ihres Beetes, mal Sawyer beim Lesen gezeigt. Und dies alles, ohne je zu langweilen. Denn der Zuschauer fiebert mit. Egal, ob actionreiche, entscheidende letzte Szene einer Folge oder alltäglich gewordenes Inseltreiben – beides ist hoch interessant. Die Flashbacks geben den Rest dazu und machen aus jeder Folge ein kleines Highlight. Denn wie die Autoren es schaffen, derart viele Charaktere mit derart vielen packenden Hintergrundgeschichten zu versorgen, mag man einfach nicht glauben. Das Motto, auf der Insel könne jeder noch einmal neu anfangen, nutzen die Macher, um das Leben vor der Insel genauer zu betrachten. Weil jeder etwas zu verbergen hat. Kate anfangs, dass die eine sich auf der Flucht befindende Mörderin ist, Sun, dass sie die anderen, nicht wie vorerst gedacht, doch versteht, oder Sawyer, dass sich hinter seiner coolen, aber oberflächlichen Machoattitüde ein familiäres Drama zu verbergen scheint.

Die erste Staffel von „Lost“ ist also mehr als diese extrem komplizierte Mysteryserie mit Rauchmonstern und komischen anderen Leuten, sondern gewissermaßen auch ein Inseltagebuch. Denn so packend die Hauptgeschichte auch ist – was wäre sie ohne all diese kleinen Erzählungen drum herum? Und so fühlt man sich quasi auf einem abenteuerlichen Exotiksüdseetrip mit mystisch überhöhten Elementen, die man abends am Lagerfeuer alle noch einmal erklärt und dabei auch den Einzelheiten der anderen lauscht.


Montag, 10. Januar 2011

Kommentar: Inside Man



Clevere, doppelbödige Thrillerperle von Spike Lee, der die Heist-Movie-Konventionen klug untergräbt und sich daraus einen kleinen Geniestreich bastelt. Mit Denzel Washingon, Clive Owen und Jodie Foster top besetzt, erzählt Lee großartig choreographiert von der Geschichte eines brillanten Coups und den verzweifelten Versuchen der Polizei, die Bankräuber mit psychologischen Tricks aus der Reserve zu locken. Lee dreht dabei die Prämisse, die Bank sei ein Hindernis, um, sodass daraus entsteht: Die Bank ist die Waffe. Mit allen Mitteln ausgestattet und strengstens durchgeplant lassen die Bankräuber die Polizisten, die sich schwer bewaffnet vor dem Gebäude positioniert haben, im Regen stehen und auch die Zuschauer nie wissen, worum es eigentlich wirklich geht. Denn Geld ist anscheinend nicht der Grund für den Überfall – was den Detectives aber erst zu spät klar wird. Auch sonst ist das kein normaler Bankraub: Die Täter zwingen die Geiseln, die selbe Malerkleidung wie sie zu tragen, was später im Film noch eine große Rolle spielen wird. Was sich darauf aufbaut, ist summa summarum ein äußerst gelungener Thriller ohne viel Action, mit toll agierenden Schauspielern, einem genialen Drehbuch und spaßigem Ende. Viel besser als sonstige Mainstreamkost, weil so locker und entspannt. Großartig!  

Montag, der Feuerwehrmann



Eine Feuerwehr, die früher einmal das Feuer löschte, anstatt es zu verursachen, um sinnlose und schadhafte Bücher zu verbrennen? Quatsch. Alles Quatsch. Vermutlich auch nur eine Einbildung der Menschen, deren Körper und Geiste sich nur langsam von diesen grauenhaften Machwerken erholen können. Romane, Dokumentationen, Biografien und Autobiografien, Komödien, Tragödien, Epik, Lyrik, Dramatik – alles ausgegorener Mist, und noch dazu einer, der das wichtigste einer Gesellschaft zu vernichten droht: Das Glücksgefühl. Das Glücksgefühl, das die Menschen fröhlich in den Tag hinein leben lässt. Aber eben auch das Glücksgefühl, das dem Menschen eine manipulierte, sprich euphemistische Sicht auf den Alltag aufzwängt. Ein doppelbödiges Spiel also, welches der Staat mit seinen Bürgern treibt. Einerseits zeigt er ihnen, wie ein Leben mit einem strahlenden Gesicht aussehen kann und auch soll, andererseits erfährt der Bürger dadurch auch eine krasse Freiheitsberaubung. Diese nun durch die Aussage, Freiheit stehe hinter Sicherheit und Wohlgefühl, zu rechtfertigen, erscheint also fragwürdig. Doch zuerst interessiert dieser Gedanke den ambitionierten Feuerwehrmann Montag wenig. Schließlich ist er ein linientreuer Mensch, der sicher und loyal seinen Dienst verrichtet und kurz vor der lange erhofften Bevölkerung steht. Eine glückliche Welt also? Mitnichten.

Denn es kommt, wie es kommen muss, im dystopischen Genre, sei es Literatur oder Film: Der ehrliche und an das System glaubende Arbeiter erfährt ein Gefühl, welches für ihn so außergewöhnlich, so schwer zu erfassen ist, dass er ihm nachgeht – und dabei seine eigentliche Gesinnung erkennt, eine Gesinnung, unter Morast der Volksverfälschung vergraben. Und, wodurch er es erfährt, erkennt, dieses Gefühl, diesen Ausdruck, ist auch klar festgelegt, sieht man ebenso oft in dystopischen Werken: durch eine Frau, eine Geliebte, die sich nicht unterkriegen lässt, die immer noch an ihre Freiheit glaubt. Montag also wird, wie sagt man es so schön, vom Jäger zum Gejagten, vom Bücherfeind zu Bücherliebhaber. Seine konformistische Ehefrau Linda, die sich Tag für Tag von einem manipulativen Fernsehprogramm, schlicht und einfach „Die Familie“ genannt, zudröhnen lässt und dem Zuschauer teilweise wie ein abhängiger Junkie vorkommt, lässt Montag außer Acht, seine Biedermeierumwelt, all das, was er jetzt hasst, jetzt, da er mit klaren Augen sieht. Doch die Gefühlsfreiheit ist noch lange nicht verbunden mit der vollkommenen Freiheit des Individuums. Denn der Captain der Feuerwehr erkennt, was in Montag schlummert und bald ausbrechen wird, und er will es unterdrücken, sogar ausschalten, wenn es denn unbedingt notwendig ist.




Und schließlich, zum Finale, finden die beiden Fäden ein Ende: Montag, kündigt bei seiner Arbeitsstelle, nimmt aber nichtsahnend einen letzten Auftrag an, der ihn ausgerechnet zu seinem eigenen Haus führt. Nach dem anfänglichen Verharren hinter der steifen Meinung, Bücher seien sinn- und nutzloser Schund, der unglücklich machen würde, zeigt sich, dass doch noch Hoffnung zu erkennen ist. Der unterdrückte Arbeiter, von allen Seiten von Überwachung und Kontrolle umgeben, ist trotzdem noch im Stande, so etwas wie individuelles Denken hervorzurufen. Obschon er ständig beobachtet und verfolgt wird, obschon er sieht, welches Unheil den Leuten, die sich nicht anpassen wollen, widerfährt, hat er doch seine eigene Freiheit – seine eigene Freiheit, die ihm niemand wegnehmen kann. Schließlich ist ein Gedanke machtvoller und auch gefährlicher als jede richterliche Verordnung, als jeder politische Beschluss. Selbst ein solch drastischer Einschnitt in die Kultur des Menschen kann nicht verhindern, dass der Mensch seinen eigenen Willen und Glauben entwickelt. Und so gelingt es auch Montag, von der Revolutionsgruppe der sogenannten Buchmenschen zu erfahren, die sich in die Wälder zurückgezogen haben, um dort jeweils ihr Lieblingsbuch auswendig zu lernen, um es für die Nachwelt zu erhalten.

Genug Stoff also, um daraus ein sehenswertes Filmerlebnis zu machen – noch dazu unter der Regie vom großen François Truffaut, einem der Altmeister der französischen Kinokunst. Dystopische Welterzählung trifft auf einen kongenialen Filmrevolutionär. Was kann da noch schief gehen, mag man sich fragen – und sich die Antwort gleich darauf selbst in den Mund legen: viel. Truffaut nämlich inszeniert seinen „Fahrenheit 451“ erstens als absurdes Theater allererster Güte: Das lächerliche Auto der Feuerwehr, die blödsinnigen Wohnungen, die wohl so etwas wie ein „Zukunftsgefühl“ vermitteln sollen. Was an und für sich nicht schlecht ist. Abgesehen von der Tatsache, dass wir uns in einem dystopischen Film befinden. Und der ist – aufmerksame Leser haben es schon längst bemerkt – nun einmal dystopisch – und keine abgefahrene Fremdschämkomödie. Zweitens wäre dann unter diesem Punkt noch anzumerken, dass das gesamte Umfeld Montags eher einem spaßigen Kindergarten für Pessimisten gleicht, als einer grausam unterdrückenden Diktatur. Drittens die schlechte Musik, die wahrscheinlich Angst und Furcht hervorrufen soll – dies aber nicht, um mitzufühlen mit den Charakteren, sondern eher, um die Disc aus dem Player zu nehmen. Viertens die seltsamen Schauspieler, die vielleicht auch nicht wussten, was da mit ihnen veranstaltet wurde: Hier Trauer, da Freude, und in der Mitte ein wenig Bücherverbrennungsstory für die Prätention.

 



Unentschlossen, nicht wirklich gewollt wirkt das alles, und genau deshalb auch lächerlich. Die Wandlung Montags ist eine arg verkrüppelte moralische Bemühung vom Bösen zum Guten, um dem Zuschauer so etwas wie eine Identifikationsfigur ihn die Hand zu reichen. Nur, dass dieser Versuch leider scheitert. Einmal abgesehen vom fürchterliche Ende und der unglaublichen miesen Szene in der ehemaligen Schule von Clarisse – die Schüler flüchten in Knickerbocker vor ihr, Montag steht drollig in der Ecke und Clarisse fängt an zu weinen – wäre das eigentlich schon so ziemlich alles, was „Fahrenheit 451“ falsch macht. Und was tut man danach? Man sucht die guten Stellen. Und diese sind bei Truffauts erstem englischsprachigen Werk äußerst rar gesät, kurz, man findet sie eigentlich nicht. Von filmischer Seite gesehen ist da nämlich nichts, aber auch gar nichts zu holen. Höchstens die philosophische Komponente gefällt, was aber auch wieder dem Roman anzurechnen ist. Die Umsetzung des Gedankens scheitert an zu vielen Dingen. Eine bedrückende Atmosphäre hervorzurufen, einen Spannungsbogen aufzubauen, den Zuschauer richtig mitfiebern zu lassen – all das gelingt „Fahrenheit 451“ aus den oben genannten und mehrfach ausführlich angesprochenen Kritikpunkten leider nicht.

Man kann also schwer enttäuscht sein von Truffaut. „Fahrenheit 451“ hätte der spannendste Film seiner Karriere werden können, stellt sich aber jetzt, Jahre nach seiner Blütezeit als Regisseur, als sein eindeutig schwächster Film heraus. Die Dystopie selbst versteckt sich hinter dem Baum der Lächerlichkeit – ein schlimmes Bild.

Samstag, 1. Januar 2011

Kommentar: Kick-ass



Um es kurz zu machen: der beste Film 2010. Matthew Vaughn ist mit „Kick-ass“ ein weiterer Geniestreich im – sich immer weiter aufspaltenden – Genre der Superhelden gelungen. Warum? Weil eine Teeniekomödie genau so auszusehen hat. Träume und Illusionen werden gnadenlos schwarzhumorig mit dem Brecheisen der „Das wird eh nie einer machen.“-Meinung gebrochen, die Mädchen rücken in unerreichbare Fernen und die eigene Coolheit befindet sich auch irgendwo im Himalaja. Bis es sich Dave Lizewski tatsächlich traut: Neoprenanzug übergestreift und raus auf die Straße des nicht existierenden Gesetzes. Die Konsequenz jedoch folgt in Form einer ordentlichen Dresche sofort – aber nicht, dass das neue Phänomen jetzt aufhören würde. Nein, die ungünstig verlaufene Klopperei motiviert den jungen Helden sogar nur noch. Vielleicht auch, weil im Internet die YouTube-Klicks rasend schnell in die Höhe steigen. Kurz darauf ist die MySpace-Seite eingerichtet und der Streifzug gegen das böse kann endlich richtig anfangen. Blöd nur, dass jetzt ein richtiger Gegner, sprich der Boss des örtlichen organisierten Verbrechens, der zu bekämpfende Feind ist. Wären da nicht Big Daddy und sein kleines Hit-Girl, das mit Butterflymessern und lila Kampffrisur durch die Gegend springt, Kick-ass wäre wohl wieder kräftig ass-kicked. Und der Film nur halb so spannend. So aber kommt es, wie es kommen muss: Satte Action, geile Sprüche, deftiger Humor. Ein Film, der Spaß macht. Und sich seine Nummer 1 auch redlich verdient hat.      

Kommentar: The Departed



Im Rahmen meiner offiziellen Scorsesetage („Taxi Driver“ immer noch brillant, „GoodFellas“ ganz in Ordnung und „Shutter Island“ ein wirklich geglücktes Psychothrillerexperiment mit starken Di Caprio) noch einmal gesehen. Und fast wieder aus dem Player geflogen. Wieso musste sich der Altmeister des Mafiafilms, oder besser, der Menschen in den Mafiafilmen, denn bitteschön ausgerechnet den mit Abstand besten asiatischen Film der letzten Jahre aussuchen, nur um ihn dann so zu verdrehen. Oh, im Film werden ganz böse Schimpfwörter gesagt! Leider steckt hinter einem guten Mafiafilm aber mehr als peinliches Machogehabe mit vorgezogener Knarre. Reichlich missverstanden hat Scorsese den tiefenpsychologischen Originalstoff aus Hongkong, und deshalb auch dementsprechend gegen die Wand gefahren. Nichts ist zu spüren von der krassen Wucht der „Infernal Affairs“ - zu sehen sind nur die sich reichlich bemühenden Damon und Di Caprio, die im durchschaubaren Plot erst ganz normal aneinander vorbeileben, sich später aber regelrecht bekriegen. Viel Blut, viel Gewalt, aber nicht annähernd so genial wie das Original. Schade eigentlich, da man wohl behaupten kann, dass Scorsese jetzt vielleicht einen goldenen Karriereherbst erreicht.